Wir sitzen in einer kleinen Eatery in einer Stadt, die der naechsten gleicht. Diesbezueglich sind indische Staedte nicht besonder abwechselungsreich: es gibt einen oder mehrere Busbahnhoefe, keinen, einen oder mehrere Bahnhoefe und jede Menge kleine 'Indian Fast Food' Laeden. In den Restos gibt es lokale und regionale Gerichte, immer Brot in allen Varianten (Chapathi, Roti, Parotta, Nan, Apam, Pappadam, Puri, Dosa, ...), immer Reis (Plain, Ghee, Biryani, Jeera, Idlys, ...) und es ist immer (sehr) gut scharf.
Wir sitzen mittendrinn und essen herzhaft unser vegetarisches Curry mit Chicken 65 und Gobi (Blumenkohl). Dazu gibts tausend Saucen und eingelegte Zwiebeln. Es schmeckt und die Portionen sind reichlich - es wird solange nachgereicht, bis man abwinkt. Das ist dann Thali (sozusagen 'all you can eat')
Wir hoeren ein Gespraech am Nebentisch mit. Wir muessen dazu sagen, dass hier auch untereinander gerne mal Englisch gesprochen wird.
Herr am Nebentisch: 'Where do they come from?'. Diese Frage beantworten wir ca. 20 Mal taeglich, hier im Resto hat aber noch keiner gefragt, kommt sicher noch... . Kellner antwortet: 'I don't know, but they eat like Indians!'
(Zum einen sind wir hier immer Gespraechs- und Guckthema, wie schon erwaehnt - weiss und westlich, zum anderen wird sehr gerne kommuniziert. Meistens sehr nett, manchmal auch etwas anstrengend. Hier gucken mit anfassen und 'one snap, please!)
Wir sind aber stolz, inzwischen wie Inder zu essen. Da gehoert naemlich einiges dazu.
Denn Inder, zumindest im Nordosten und Sueden, essen mit der Hand. Wenn moeglich von einem Bananenblatt, dass zuvor mit Wasser abgespuehlt wird und auf dem direkt die Portionen landen. Um genau zu sein, wird ausschliesslich mit der rechten Hand gegessen. Zuvor werden die Haende gewaschen, aber nur selten getrocknet. Dann wird alles vermengt. Reis, Curry, alles was halt grade da ist bzw. bestellt wurde. Es wird umgeruehrt, zusammengepappt, geknetet und schliesslich in den Mund geschoben oder bei fluessigeren Sachen von den Fingern geschluerft. Es sieht wild aus, aber mit der Zeit gewoehnt man sich an den Anblick. Die Finger werden nicht abgeschleckt, es wird auch mal geruelpst, es schmeckt. Es koennte einem der Appetit dabei vergehen, aber nee, ganz im Gegenteil, macht Spass und wir sind inzwischen richtig gut darin. Das groesste Lob kam grad vom Kellner. 8-).
Kurz darauf beugt sich der Nachbar rueber: 'Your Country?'
Zu einem indischen Leben gehoeren noch weitere Dinge.
Hindutempel zum Beispiel.
Tempel haben wir in Suedindien schon einige gesehen. Sie waren meistens sehr bunt und hoch. Geweiht fuer Brahma, Vishnu, Shiva oder einen der anderen 3 Mio. Goetter.
Mamallapuram
Madurai (sehr bunt)
Trichy (wohl der groesste in Indien, und sehr alt)
Tanjore (der ist noch aelter und Weltkulturerbe)
Ehm...schon so viele gesehen...
Aber nicht nur die Tempel sind bunt, glaubenstechnisch schmueckt man sich auch selbst per Farbkleks auf der Stirn oder im Haaransatz.
Die moderne Inderin klebt sich den Stirnpunkt auch schon mal gern aus Filz auf die Stirn. Die Punkte finden sich dann ueberall wieder, im Bad, am Fussboden... Wir sind eindeutig fuers malen!!! Es sieht viel schoener aus!
Hier zum Kauf erhaeltlich!
Auch Bus- und Zugfahrten in sehr sehr vollen Gefaehrten gehoert zum indischen Alltag.
Aber wo es voll ist, kann es nur noch voller werden. Inder haben wenig Beruehrungsaengste. Es wird geschoben und gedrueckt, bis man drin ist. Hinter einem die Sintflut, es muss jeder selber sehen, wo er bleibt.
Ist noch ganz entspannt hier.
Die Tuer steht immer offen.
Die Bus-Vehikel selbst sind ausschliesslich von Tata -dem groessten indischen Konzern- und immer bunt bemalt und beschriftet. Hier duesen zum Beispiel 'Holy Queen', 'King of Bus' und 'Gift of God' durch die Strassen! Auch die Strassen sind mit wichtigen Hinweisen versehen. 'Dont mix drink and drive!', 'Speed thrills but kills!', 'Safty is as simple as ABC, always be careful!', 'Dont donate blood on the street, donate in hospital', 'Better be late than dead!', 'While on the road , dont overload!', ... 8-).
Geschmacklich waere ein echtes indisches Leben natuerlich nichts ohne Chai. Der schwarze Tee mit Milch, a la Masala dann mit Gewuerz, ist zwar meist seeehr suess, aber immer ein Genuss. In kleinen Glaesern oder Pappbechern serviert wird damit geschwatzt, diskutiert oder einfach nur eine kleine fuenf Minuten Auszeit vom taeglichen Stress genommen. Die Zubereitung ist eine eigene Kunst. Tee und Milch werden in hohem Bogen zwischen Bechern hin und her gegossen bis alles gut vermengt ist.
Mhmmm, lecker! Die Pappbecher landen danach ueberall und bleiben da auch liegen.
Eine der schoensten Angewohnheiten von Indern - uns reicht nur der Gedanke daran, um ein breites Grinsen aufs Gesicht zu zaubern- ist das Kopfschuetteln. Nicht wie wir es kennen von oben nach unten - nickend. Nein, Inder haben was ganz eigenes entwickelt. Es ist ein Wippen, ein Neigen, ein Kreisen mit dem Kinn. Nein, doch dem ganzen Kopf oder irgendwie der unteren Gesichtshaelfte von links nach rechts und umgekehrt. Etwas ganz eigenes und es sieht zum totlachen komisch aus <:o)
Geschuettelt wird zu allem. Ja, verstanden, hmm, gern geschehen, danke, bitte, vielleicht... Bei jedem Gespraech wird geschuettelt. Ein grossartiger Anblick, der am ehesten mit diesen Wackel-Dackel-Kopfbewegungen zu vergleichen ist.
Fuer uns natuerlich oft zweideutig und schwierig - quer heisst ja eher nein. Hier nicht! 'Does this bus go to Mamallapuram?'. Die Antwort ist ein wildes Kopfschuetteln. Die Frage bleibt fuer uns aber irgendwie unbeantwortet ;-).
Das echte indische Leben waere allerdings nichts ohne die liebe Buerokratie. Es lebe die Buerokratie! Drei Formulare dort, zwei Unterschriften hier. Eins fuer die Anfrage, eins fuer den Auftrag. Jede Anfrage einzeln, neuer Zug neue Anfrage. Neues Ziel, neue Anfrage. Wer sitzt im Zug wo? Kein Problem. Vor jeder Fahrt wird die Passagierliste ausgedruckt, am Gleis ausgehangen oder an den Zug geklebt (in Mumbai CST verkehren taeglich um die 3 Mio Passagiere...nur mal so zur Anmerkung, der Listen wegen). Der Kassenbon wird gestempelt, zwei bis vier mal, usw. Alles muss seine Ordnung haben.
Ein (maennliches) indisches Leben ist nicht vollstaendig ohne einen Tuchrock. Fuer die Frau ist das ein Sari in allen Mustern und Farben. Sehr kleidsam und schoen anzusehen, wenn da nicht immer die Fettschwarten herausquillen wuerden. Speziell der Rock fuer den Mann hat es Juergen aber angetan. Es muss praktisch sein, sein Handtuch samt Tischdecke plus Bettlaken inklusive Taschentuch immer mit dabei zu haben. Er wird hochgesteckt oder lang getragen und es wird gewickelt, was das Zeug haelt.
Eine Sache noch. Ein indisches Leben ist sehr komfortabel bezueglich Muell. Alles kann jederzeit ueberall hingeworfen werden. Pinkeln genauso, einfach laufen lassen...
(Heilige) Kuehe, Ziegen, Huehner, Raben (es gibt sehr sehr viele Raben in Indien), Hunde, Schweine und Katzen sind sehr dankbare Abnehmer fuer alles, auch ueberall. Es ist erstaunlich, wie viele Kuehe hier ausschliesslich vom Muell leben und wie zielstrebig sie den Muell nach essbarem durchwuehlen.
Muell, Muell, Muell
Ansonsten nicht weiter darauf achten. Was ja auch immer dazugehoert ist weggucken. Von der Armut und dem truebseligen Leben vieler anderer (es fehlen Finger, Haende, Arme, Beine, Kiefer(!), ...) am Strassenrand und in der Gosse. Aber wie schon geschrieben ignorieren hilft.
Mit den Fingern schmeckt es halt einfach besser! :-)
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